In Brandenburg is viel schlimmer mit die Sprache als wie wenn man in Berlin ist

Das Berlinerische gilt ja im Rest Deutschlands allgemein als ein besonders schnodderiger Dialekt. Das liegt mit Sicherheit daran, dass der Rest Deutschlands nicht weiß, dass es Brandenburg gibt. Brandenburg ist angeblich das unbekannteste Bundesland Deutschlands. Die Sprache ist aber schon mal nicht dran schuld, die ist…naja…besonders.

Von Lausitzer Mundard.

 

für Oma Hannchen

 

Spreewaldfest in Lübben, Lindenfest in Lübbenau oder Erntefest in Raddusch. Ich liebe meine Heimat. Wirklich. Zusammen mit alten Schulfreunden bei Gurkenschnaps und Babbenbier Schulter an Schulter gequetscht am Spreeufer den Kahnkorso verfolgen, abends zur Annemarie-Polka auf die Tanzfläche stürmen. Ich bin stolz, im Spreewald aufgewachsen zu sein.

Aber es gibt da eine Sache. Diese EINE SACHE, die mir an meiner Heimat mittlerweile so richtig auf die Nerven geht: Der Dialekt.

Es ist, als würde man alle nur erdenklichen Grammatikfehler auf einmal machen, gemischt mit einer Prise Restberliner Mundart. Heraus kommt das, was man als Spreewälder, Cottbuser und Hoyerswerdaer gern als Hochdeutsch deklariert, sich aber anhört, als wäre der eigene IQ das Einzige, was noch tiefer liegt als der getunte Golf GTI auf dem brandenburgischen Hof der Eltern…

Nichts für Ungut, liebe Golf-Fahrer!

In Brandenburg ist viel schlimmer mit die Sprache als wie wenn man in Berlin ist.

 

Das Berlinerische gilt ja im Rest Deutschlands allgemein als ein besonders schnodderiger Dialekt. Das liegt mit Sicherheit daran, dass der Rest Deutschlands nicht weiß, dass es Brandenburg gibt. Brandenburg ist angeblich das unbekannteste Bundesland Deutschlands. Die Sprache ist aber schon mal nicht dran schuld, die ist…naja…

besonders.

Wer sich als Berliner in den RE2 Richtung Cottbus setzt und im Zug einmal die Ohren aufstellt, kann echt noch was lernen:

„Meene Fresse, in Berlin is jetze viel schlimmer mit die Leute als wie wenn de heeme bist!“ (Original O-Ton).

Mir liegt in keiner Weise daran, die Brandenburger zu verunglimpfen. Es ist sicherlich auch unangenehm, wenn ich als Zugezogene plötzlich ins Berlinerische abdrifte. Ein Fauxpas, der einem weder in Brandenburg, noch in Berlin verziehen wird. Aber Leute, die Brandenburgischen Sprachgewohnheiten lassen mir auch nach vier Jahren Berliner Schnauze immer noch die Fußnägel hochkräuseln!

Es bedarf eines Brandenburg-Sprachkurses.

Wir beginnen mit einer leichten Übung: „Als“ und „wie“ nicht richtig verwenden. Das sollte nicht allzu schwer sein, da halb Deutschland unter der Als-Wie-Krankheit leidet.

„Det is allet viel teura als wie zu D-March-Zeiten.“ Mehr als einmal hatte ich im Supermarkt das Bedürfnis, mich an der Kasse zum Grammatiksünder umzudrehen und zu brüllen: „Das heißt ALS!!! Und nicht ALS WIE, Sie Depp!“ Demjenigen dann noch eine Packung Kocheier an den Kopf zu werfen, wäre vielleicht etwas überzogen, würde mir aber den nötigen Nachdruck verleihen.

Aber egal, so eben auch in Brandenburg. Read and repeat:

„In Berlin is viel teurer mit die Mieten, als wie wenn man in Brandenburg ist.“

Wer sich diesen Satz ohne schlechtes Gewissen über die Lippen gehen lassen und auch weitere Fehler darin ignorieren kann, ist ideal vorbereitet für Lektion Eins im Brandenburger Dialekt:

Der Brandenburger liebt Doppelvokale. Aber nur „ee“ und „oo“! Da es davon in der deutschen Sprache leider so wenige gibt, baut er sie einfach überall dort ein, wo zwei Vokale aufeinanderfolgen:

„eene“, „keene“, „weeste“, „Boom“, „loofen“, „koofen“ …

Sehr ähnlich dem Berlinerischen, ABER Obacht! Umlaute sind in Brandenburg mindestens genauso beliebt wie Vokale:

„Mülsch“, „Kürche“, „Körsche“, „Dreivörtel“, „Ötui“.

Und mein absoluter Liebling: „Ölfe“.

Der Brandenburger macht seinen Vokal-Wahnsinn wieder gut, indem er das „E“ schlicht wieder an fast jedes Wort anhängt:

„Jetze“, „iche“, „denne“

Nächste Lektion: Der Brandenburger hasst den Nominativ. Und den Akkusativ. Und den Genitiv. Eigentlich alle Fälle. Den/das/deren/dessen, welcher/welches/welche/wessen sind nicht Bestandteil der Brandenburgischen Sprache. Die Brandenburger sind hier besonders sparsam. Es genügt ein einziger Artikel: die

Falsch: „Der Kahn ist voller Touristen, welche sich den Spreewald ansehen möchten.“

Richtig: „Der Kahn ist voll mit die Touristen, die den Spreewald angucken.“

Klingt einfach? Keineswegs, denn kein Dialekt kann so gut mit Wortneuschöpfungen glänzen, wie das Brandenburgische.

z.B.: „abgehofften“

Falsch: „Das Blatt habe ich in dem Ordner abgeheftet, in welchem auch der Handyvertrag von Nicole ist.“

Richtig: „Das Blatt ist abgehofften bei Nicole ihr Handyvertrag.“

Dieses Beispiel führt uns zu Lektion Drei:

Possessivartikel.

„Ihr“, „ihre“, „sein“, „unser“, „euer“.

Wir wissen ja bereits, dass der Brandenburger eine gesunde Ignoranz gegenüber den vier Fällen zeigt. A-BER nirgendwo legt er so viel Kreativität an den Tag wie bei Possessivartikeln. Er verwendet sie zwar nie an den richtigen Stellen und auch niemals im richtigen Geschlecht, doch er setzt sie ein. Die folgenden Beispiele sind nur was für Fortgeschrittene:

Falsch: „Das ist das Buch von Nancy.“

Richtig: „Das is Nancy ihr Buch.“

Falsch: „Die Jacke gehört Mandy.“

Richtig: „Die Jacke is Mandy ihre.“

Read and repeat: „Das Blatt ist abgehofften bei Nicole ihr Mietvertrag.“

Der Possessivartikel siedelt sich gerne am Ende eines Satzes und (in besonders schwerwiegenden Fällen) vorwiegend in Maskulinum an.

Falsch: „Das ist Sarahs Auto.“

Richtig: „Das ist Sarah seins.“

Wer sich im Umgang mit dem Brandenburgischen noch unsicher ist, sollte folgende Faustregel beachten: „Ein guter Satz ist ein halber Satz.“ Je gestörter die Kommunikation ist, desto besser. Schlüsselinformationen braucht KEIN MENSCH!

Noch gehobener würde es heißen: „Hier, wegen der ihr Dingens…“.

Puh, Brandenburgisch ist doch schwerer als gedacht! Aber immer noch einfacher, als die Uhrzeit in viertel nach und viertel vor angeben zu müssen. Tze! Barbaren!

Ich liebe meine Heimat. Tue ich wirklich. Aber es gibt da eine Sache. Diese EINE SACHE…

„In Brandenburg, in Brandenburg ist wieder jemand voll in die Allee gegurkt.“ Lautet der Songtext zum Brandenburglied von Rainald Grebe. Vielleicht lag es daran, dass das Navi auf brandenburgisch eingestellt war?

„Denne jetzte, hier, weil Boom.“

Brandenburg. Das wohl unbekannteste Bundesland Deutschlands. Man tut ihm Unrecht! Es hat so viel mehr zu bieten. Zum Beispiel Sorbische Eier. Die sind wunderschön anzusehen und tun niemandem weh. Vielleicht sollte man diese lieber anstelle von Kocheiern werfen, wenn beim nächsten Mal jemand „der ihr“ sagt oder „als“ und „wie“ nicht richtig anwendet? So als sanfte Warnung.

Und wer es dann immernoch nicht geschnallt hat, den soll ein Navi auf Brandenburgisch strafen.

 

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2 Gedanken zu „In Brandenburg is viel schlimmer mit die Sprache als wie wenn man in Berlin ist

  • Februar 21, 2020 um 12:26 pm Uhr
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    Schlimmer geht immer, z. B. wenn man auf Reisen ist, entspannt in einem Café oder Restaurant verweilt und sich wie aus dem Nichts vom Nachbartisch her ein Schwall von breetestem Oberelbtalsächsisch über einen ergießt, »gern« noch inhaltlich lamentierend über irgendein Trivialproblem. Im Geiste geht einem spätestens nach dem dritten Satz ein STFU! über die Lippen.
    Dann doch lieber Brandenburgisch!

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  • Oktober 2, 2020 um 1:49 pm Uhr
    Permalink

    Naja ick find det geil.
    Wem det nich jefällt, der kann ja nach de Stadt ziehen, zu de Buletten. Oder jeht nach de Apotheke hin und holt sich Ohrstöpsel. Oder dürfst nur inne Stube hocken. Dann hörste det ooch nich.. Nich?!! 🙂

    Antwort

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