Wohnungssuche Part II oder: „Du kommst hier nicht rein!“

für Onkel Kay*

 

…mittlerweile war ich bereits seit über einem halben Jahr auf Wohnungssuche. Leider erfolglos. Dafür kenne ich mich jetzt bestens in Berlin aus und kann behaupten, an so ziemlich jeder U-Bahnstation einmal ausgestiegen zu sein. Immerhin. Inzwischen war im Mietrecht ein neues Gesetz in Kraft getreten:

Die Maklerprovision wurde abgeschafft.

Es gilt das sogenannte Bestellerprinzip. Der Mieter zahlt grundsätzlich keine Vermittlungsprovision mehr, es sei denn, er hat den Makler ausdrücklich beauftragt. Das klingt so erst mal ganz schön. Für diejenigen, die jetzt auch noch an die Mietpreisbremse und den Weihnachtsmann glauben, erzähle ich mal eine kleine Geschichte:

Bei einer Wohnungsbesichtigung in der Ebelingsstraße in Berlin-Friedrichshain stand ich wieder einmal vor der üblichen Masse an Konkurrenten. Ein schneidiger junger Mann in Lederboots und Sakko lief mit beschwingtem Schritt durch die Menschentraube hindurch und bat, an der Tür stehend, um Aufmerksamkeit:

„Ähm, es ist aber nur eine Wohnung frei, nur das ihr es wisst, haha!“ Niemand lachte.

„Also wir machen das jetzt so: Es können immer nur maximal 5 Leute in die Wohnung rein und wer warten muss, der füllt in der Zwischenzeit bitte dieses Formular aus!“ Er wedelte mit einem dicken Stapel weißer Blätter. Dann drehte er den Schlüssel im Schloss um und stieg, allen voran, die Treppe in den vierten Stock hinauf.

Ich musste keine Treppen steigen. Die Warteschlange reichte hinunter bis ins Erdgeschoss. Kurz darauf wurde auch zu mir einer dieser Zettel durchgereicht.

Maklervertrag“ stand da in fetten Buchstaben. Darunter freie Felder für Namen und Adresse. Anschließend viel Kleingedrucktes: „Blablabla …beauftragt der Kunde den Makler… Blablabla …der Kunde verpflichtet sich… Blablabla …Maklerprovision…“. Abschließend war neben dem Datum noch eine Unterschrift zu leisten. Per Stille-Post-Verfahren sickerte von oben nach unten durch, dass man nicht in die Wohnung käme, sollte der Vertrag nicht unterschrieben sein. Jaja, schon klar, ich bezahle doch niemanden fürs Zettelchen austeilen! Hat er bestimmt nicht gesagt.

Hat er doch!

Als ich nach einer dreiviertel Stunde Wartezeit endlich an der Reihe war, stand der mittlerweile ziemlich angenervte schneidige junge Mann wie ein Türsteher vor der Wohnung und forderte mich auf, das Formular vorzuzeigen. Ich tat, wie mir geheißen und zeigte es. Ununterschrieben.

„Und wat is mit dir?!“ Fuhr er mich an, wie ein Lehrer, der mich ohne Hausaufgaben erwischt hatte. „Unterschrift?“

Ich stammelte: „Äh, ich, ja, aber ich will gar nicht…“

„Ne komm, dann lass gut sein!“ Ranzte er mich an und wies über meine Schulter zur Treppe: „Nächster!“

Ich machte kehrt und trollte mich. Das Bestellerprinzip hat Berliner Wohnungen anscheinend zu exklusiven Clubs gemacht, bei denen es nur eine einmalige Chance auf Einlass gibt.

Ich änderte daraufhin meine Vorgehensweise.

„WG gesucht!“

„Ich, jung, nett und aufgeschlossen suche ein neues Zuhause.“ Smilie. „Ich mag es gerne ruhig, sauber und ordentlich. Bitte keine Party-WG!“ Zwinker-Smilie.

Die Rückmeldungen blieben aus. Seltsam. Ich ergänzte einen Link zu meinen Instagram-Account und plötzlich lief es (Ihr Chauvis! Ihr Sexisten! Wie oberflächich kann man sein?). „Heeey! Nett, euch kennen zu lernen!“

Es lief eigentlich immer echt gut. Bis die anfängliche Nettikette den Fakten wich:

„Also Haustiere gehen hier gar nicht, das macht immer voll Dreck!“ Zitat Vierer-WG, in der geschätzt seit einem halben Jahr der Staubsauger nicht benutzt wurde.

„Bei der Gesamtmiete machen wir einfach 50:50, du musst ja auch das Internet nicht bezahlen.“ Zitat Zweier WG, in der das Zweite – mein – Zimmer das Kleinere und obendrein ein Durchgangszimmer war.

„Wir würden uns freuen, wenn du dich mit dem veganen Lebensstil auseinandersetzen würdest.“ Zitat Dreier-WG, in der der Flur voller Primark-Tüten stand (man muss Prioritäten setzen).

„Kannst du dann vielleicht gegen 17:00 Uhr? Später is mir dann echt zu viel.“ Zitat was auch immer für eine WG, in der Besichtigungen vor und nach der Arbeit stets unmöglich waren.

LETZTE CHANCE: „Ich, jung, attraktiv (aber nicht arrogant), ordentlich (aber nicht pingelig), partyfreudig (aber nicht asozial), vegan (aber nicht konsequent), suche für mich und meinen Kater (haart nicht, kackt nicht, existiert nicht) ein nettes Zimmer (bitte das Kleinste, das ihr habt). Ich liebe Pfandflaschenberge und Haare im Abfluss. Außerdem mache ich super gerne den Abwasch, bekoche euch täglich und bringe natürlich den Müll raus. Sonst noch was? Ach ja, ###NO Zweck-WG###! Ich gehe natürlich arbeiten, aber nur drei Stunden am Tag, den Rest der Zeit verbringe ich damit, mit ultracoolen Leuten an ultracoolen Plätzen Einen durchzuziehen, um so ultracool, WIE IHR zu sein. Zudem neue Sexpraktiken auszutesten und nutzlose Fremdsprachen zu erlernen.“ 

Ihr! Mich! Auch!

Offensichtlich war es noch schwieriger, eine passende WG zu finden, als eine eigene Wohnung. Das Ende vom Lied: Bei der Wohnungssuche in Berlin ist es wie in der Liebe. Irgendwie, irgendwo, irgendwann kommt die Richtige. Dann, wenn du schon gar nicht mehr damit rechnest. Ich werde noch heute ganz sentimental, wenn ich an diesen magischen Moment zurück denke. 16. Etage am S-Bahnhof Landsberger Allee: „Viel zu klein! Aber erst mal die Aussicht checken…“ ♥

 

Für alle, die auch noch auf Wohnungssuche sind oder waren, schreibt mir doch einfach eure Erfahrungen in die Kommentare. Ich freue mich auf euer Feedback!

Bis damn!

Eure Agnes

 

*Pseudonym[/expand]

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Ein Gedanke zu „Wohnungssuche Part II oder: „Du kommst hier nicht rein!“

  • November 12, 2016 um 5:24 pm Uhr
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    Riesen Dank an Stefan für den Support!

    Antwort

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