Corona-Hochzeiten


Ich kann mir nichts schlimmeres vorstellen, als eine weinende Braut. Nicht vor Freude, sondern vor Frust. Diesen Beitrag widme ich allen Corona-Hochzeiten.

Für Adina und Benny, Claire und Florian, Lia und Marc, Tina und Sascha, Line und Rico und für meinen Papa und Ulrike.

Heiratswillige mussten in den letzten zwei Jahren notgedrungen im kleinsten Rahmen ihre Liebe besiegeln. Mit Maske und Hygienekonzept. So schade! Es waren Zeiten, in denen ganz viele Kompromisse gemacht werden mussten und vieles nicht so stattfinden durfte, wie geplant. Aber als kleines Trostpflaster möchte ich hier einen Aspekt beleuchten, den man augenzwinkernd betrachten sollte. 

Etwas Gutes hat so eine Eheschließung im Lockdown nämlich trotz allem: Man konnte heiraten, ohne einen fünfstelligen Betrag zu investieren, um die gesamte Sippschaft zu verköstigen und zu bespaßen. Und man musste sich bei unliebsamen Verwandten nicht für eine ausbleibende Einladung rechtfertigen, die man höchstwahrscheinlich auch ohne Corona nicht ausgesprochen hätte – nur wären die Ausgeladenen dann beleidigt gewesen.

Man sparte Zeit, Geld und Nerven. 

Hochzeiten waren noch vor Krisenzeiten eine teure Angelegenheit. Neben Glaube und Tradition war es vor allem der Geldbeutel, der den Umfang dieses großen Tages definierte. Als mehrfache Trauzeugin und Brautjungfer kann ich sagen: Die Hochzeitsindustrie zieht wirklich alle Register, um den Heiratenden das Geld aus der Tasche zu ziehen. Überall, wo das Etikett „Hochzeit“ drauf klebt, wird pauschal beim Preis draufgeschlagen. Und so wird aus dem schönsten Tag im Leben mal schnell der teuerste. Klar, Catering Ausstatter und Dienstleister müssen bezahlt werden. Aber muss man denn jeden Mist mitmachen? 

Einfach einen Termin beim Standesamt machen, zwei Unterschriften. Fertig?

Pustekuchen! Äh, ich meine: Hochzeitstorte! Klingt besser und ist teurer.

Wer schon mal im Internet zum Thema Hochzeit gestöbert hat, fällt glatt vom Glauben ab, wie man dabei wirklich ALLES perfektionieren und verkomplizieren kann. Sobald Weddingplaner und Bräute mit Geltungsbedürfnis freie Hand haben, scheinen der Geldverschwendung keine Grenzen mehr gesetzt. Ein mehrtägiges, von Stylisten und Kamerateam begleitetes Event voller Amerikanischer Klischees ist der Goldstandard.

Hauptsache pompös, üppig und aufwendig.

Junggesellenabschied auf Ibiza? Voll lame! Warum nicht gleich die gesamte Ausrichtung in mediterrane Gefilde verlagern, verbunden mit größtmöglichen Anreise-Kosten für alle Gäste? Super für’s Protzen auf Social Media wäre auch eine sog. „Bridal Shower“ (Brautparty mit überzogen vielen Geschenken) auf einer Luxus-Yacht. Außerdem braucht es heutzutage unbedingt ein erstes, zweites und drittes Brautkleid nebst Brautjungfern-Einheitslook. Geradezu selbstverständlich sind natürlich Dinge wie opulente Blumendekors, eine weisse Stretch-Limousine, eine fünfstöckige Torte und tausend kitschige Kleinigkeiten, die bei aller Aufregung eh untergehen. Fehlt nur noch ein eigens einstudierter Hochzeitstanz-Flashmob und was man nicht alles tut, um sich selbst und die Trauzeugen bis an den Rand des Nervenzusammenbruchs zu bringen. Alles muss im Detail stimmen, ist minutiös durchgetaktet und stressig.

Warum tut man sich sowas an?

Als Frau bekommt man von klein auf eingebläut, dass der Hochzeitstag der schönste im Leben sein soll. Ganze Fernsehsendungen handeln nur davon, wie sich Bräute gegenseitig nach einem Zehn-Punkte-System die Hochzeiten bewerten und am Ende gewinnt diejenige eine Traumreise, welche die anderen am besten in die Pfanne hauen kann. Ungeachtet dessen, dass manch eine „Konkurrentin“ angesichts harter Kritik in Tränen ausbricht. Ich hab noch nie was Brutaleres gesehen. Als wäre Heiraten ein Wettbewerb und die Ehe an sich nur ein notwendiges Übel, das man in Kauf nimmt, um einmal Prinzessin zu sein. Kein Wunder, dass manch eine Braut bei der kleinsten Panne die Fassung verliert.

Und dann kam Corona. 

Amtlich verordnete Reduzierung auf das Wesentliche: Nur die beiden Liebenden und ein Versprechen. Sonst nichts. Traute Zweisamkeit ist die neue Romantik. Eine riesige Familienfeier ist verboten, die aufwendige Planung damit vom Tisch. Jeder hat Verständnis für eine Hochzeit im kleinsten Kreis.

Musste erst eine Pandemie kommen, damit sowas selbstverständlich ist?

Jetzt mal ehrlich, Brautpaare mussten zuvor durchaus ein schlechtes Gewissen haben, wenn ihre Hochzeitsfeier zu stark von der gesellschaftlichen Norm abwich. Zu groß durfte es nicht sein, das ist protzig – zu klein aber erst recht nicht! Das ist beleidigend. Man macht es bekanntlich nie jedem Recht. Aber bei zu stark reduzierter Gästeliste kommt es viel eher zu Befindlichkeiten, als bei überzogen teuren Bonzenhochzeiten. Sagt mir nicht, dass es nicht so ist! Ich spreche aus Erfahrung! Warum nimmt man sich das Recht raus, eine Einladung aufgrund von Blutsverwandtschaft zu erwarten, obwohl manch einer sich weniger um das Brautpaar schert als dessen flüchtige Bekannte?

In Zeiten von Partyverbot und strikten Personenbegrenzungen häuften sich die Vermählungen in meinem Umfeld merklich. Im Freundeskreis hatte man gar große Mühe, trotz abgesagter Hochzeitsfeier einen amtlichen Termin zu bekommen. Auf den Standesämtern herrschte regelrecht Massenabfertigung. Klar, der Wunsch nach einer gemeinsamen Zukunft, wahre Liebe, Familienplanung und/oder Hausbau sowie wirtschaftliche und soziale Sicherheit sind grundsätzlich Anlass für eine Heirat, sonst hätte es wohl keine Verlobung gegeben. Aber muss man als junges Paar jahrelang sparen und ein Vermögen ausgeben, wenn man ganz klein heiraten kann, ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen? Ich frag für ne Freundin.

Die Corona-Ehepaare um mich herum sind zumindest alle glücklich und zufrieden.

Trotzdem, es ist einfach etwas anderes, wenn man diesen Tag gemeinsam zelebrieren kann, statt nur über Fotos Anteil zu nehmen. 

Ich steh auf Hochzeiten!

Ich hatte, wie bereits erwähnt, schon mehrfach die Ehre, ganz nah an der Braut sein zu dürfen und war immer überwältigt von der Stimmung, die bei der Trauung in der Luft liegt. Dieser Moment, wenn die Braut in ihrem Traumkleid auf ihren Seelenverwandten zuschreitet, alle Gäste den Atem anhalten, Freudentränen fließen und alle Anwesenden sich in einem Zustand der absoluten Harmonie und Glückseligkeit befinden, das ist es vermutlich, was Heiraten so emotional auflädt. Es ist ein Meilenstein im Leben, an dem so viele geliebte und gern gesehene Menschen teilnehmen sollten, wie möglich. Für manch einen Großelternteil ist es gar der letzte glückliche Tag, den sie noch unbedingt erleben möchten. 

Also doch groß nachfeiern, sobald man wieder „darf“?

Und schon laufen die Mühlen der Hochzeitsindustrie wieder an. Es werden händeringend Räumlichkeiten gesucht, Dienstleister angefragt und Gästelisten geschrieben, die noch länger sind, als der Lockdown, in dem man geheiratet hat.

Ist das Finanzielle erst mal geklärt, muss man nur noch einen langen Atem beweisen, bis man endlich eine freie Location ohne zweijährige Warteliste gefunden hat, in der man sich nicht den Platz mit einem 80. Geburtstag und zwei nachgeholten Jugendweihen teilen muss. Ich verstehe jeden, der keinen Bock mehr darauf hat.

Niemand kann einen zwingen, traditionelle Standards zu erfüllen.

Ich fand die Corona-Hochzeiten nicht verkehrt.

Weil es dabei um das Wesentliche ging. Nämlich um den Beginn einer lebenslangen gemeinsamen Reise und nicht darum, Maßstäben gerecht zu werden. Ich wünsche allen Hochzeitspaaren, dass sie es schaffen, sich selbst treu zu bleiben und genau den schönen Tag zu feiern, den sie sich gewünscht haben, nicht den, der alle Erwartungen übertrifft. Drama um Details finde ich unnötig, wenn man nicht vorhat, sooft zu heiraten, bis alles perfekt ist. Warum also sich die Stimmung vermiesen lassen? Wer nichts besseres zu tun hat, als an einer Hochzeit rumzumäkeln, soll zur Strafe von garstigen TV-Bräuten zerfleischt werden. Und noch was: Gute Trauzeugen erkennt man übrigens nicht an ihren Manager-Qualitäten, oder daran dass ihre Garderobe zum Motto passt. Ihre Aufgabe ist es, einem in guten und schlechten Zeiten zur Seite zu stehen. Nach dem „schönsten Tag im Leben“ bleibt ja schließlich noch ganz schön was an Lebenszeit übrig. 

Ich für meinen Teil beglückwünsche alle Corona-Hochzeitspaare, die es geschafft haben, ihr eigenes Ding draus zu machen und trotz aller Schwierigkeiten nun glücklich verheiratet sind. Ob nun mit oder ohne großer Hochzeitsfeier. 

Es war bei jedem Brautpaar einzigartig, individuell und emotional berührend.

Alles Gute für euch!

Cheers!

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