schlechte Mutter

Ich bin 31 Jahre alt und habe keine Kinder. Es ist unwichtig, ob ich Mutter sein möchte oder nicht. Trotzdem wird mir bei gewissen Themen aufgrund meiner Verhaltensweisen Stress gemacht. Ich werde mit ungefragten Ratschlägen gegängelt, weil mich anscheinend nichts dringender interessieren sollte als meine zukünftige Mutterrolle.

„Wenn du mal Kinder hast…“

für mich

Ich hasse es, zu kochen. Ich hasse es, zu putzen und ich hasse es, mich um Dinge zu kümmern, die mich nicht interessieren. Wenn mich etwas nervt, ist mein Geduldsfaden mitunter recht kurz. Außerdem bin ich nicht multitaskingfähig und frühstücke nie, weil ich kein Morgenmensch bin. So weit, so normal. Ich muss mir trotzdem anhören:

„Wenn du mal Kinder hast…“ Als Reaktion auf meine Verhaltensweisen, welche anscheinend nicht so sehr zum Idealbild einer erwachsenen Frau passen und spätestens dann abgelegt gehören, wenn ich Mutter werde. 

Es ist eigentlich egal, ob diese Kommentare abwertend, mahnend oder Mut machend gemeint sind. Die Aussage ist:

„Du verhältst dich falsch! Mit einem Kind kannst du das nicht mehr machen! Bis zum Mutterwerden musst du dir das abgewöhnen.“

Man könnte das Ganze abkürzen und kontern: „Ich habe (noch) keine Kinder. Bis dahin mache ich es so, wie es mir passt.“ Punkt. 

Aber dann hätte ich mich gerechtfertigt und dazu gibt es absolut keinen Grund!

Ich fühle mich wie ein Kleinkind, dem man droht, nicht eingeschult zu werden, wenn es sein Fehlverhalten nicht ändert. Nur geht es bei mir nicht darum, in den Kindergarten zurückgestuft zu werden. Man greift meine Urteilsfähigkeit über meine eigenen Prioritäten an. Dieses gegängelt werden mit ungefragten Ratschlägen und vor allem dieses Voraussetzen, dass mich nichts mehr besorgt, als meine zukünftige Mutterrolle.…Das ist echt ätzend! Und unnötig!

Ich kann selbst entscheiden, worauf ich Lust habe und worauf nicht. Ich kann mich sogar gegen Kinder entscheiden, wenn sie nicht in mein Leben passen. Warum also wird die Kinder-Keule herausgeholt?

Kinder, Küche, Kirche sind Vergangenheit. Frauen dürfen arbeiten, wählen, lieben und erziehen wie sie wollen. Naja, Theoretisch. Denn praktisch bleibt immer noch die meiste Care-Arbeit vor allem an den Mamas hängen. Heißt: Neben der Arbeit noch den Haushalt schmeißen und die Kinder betreuen. Das geht nicht selten zu Lasten einer geregelten Arbeitswoche und ein bisschen Me-Time. Zwar will nicht jede Frau verbissen mit Stöckelschuhen und Ellenbogen bis nach ganz oben staksen. Aber viele Muttis wären froh, wenn es nicht absolut selbstverständlich wäre, auf einen Teil des eigenen Einkommens zu verzichten, um Kindkrank, Klassenfahrtvorbereitung und Kuchenbasar in der Schule abzufangen.

Anstatt generell etwas an diesen Strukturen zu verändern, wird diese herausfordernde Phase des Elternseins schon im Vorfeld als schlimmste Charakterprüfung prophezeit, für die es gilt, unbedingt bereit zu sein. Wer also dieses und jenes schon nicht aushält, der braucht gar nicht erst mit Kindern anfangen, der wird es nicht schaffen. Und da fragen sich manche Boomer ernsthaft, wo die Babys bleiben?

„Wie willst das denn machen, wenn du mal ein Kind bekommst?“

Damit macht man nicht nur unnötigen Stress, sondern den Kinderlosen den Familienwunsch madig.

Freude am Engagement im Haushalt, Organisationstalent und vor allem ein hohes Maß an Stressresistenz und Belastbarkeit sind Grundvoraussetzungen, um ein guter Elternteil – um eine gute Mama zu sein? 

Dann bin ich eine potentiell schlechte Mutter. Ich sehe mich heute Abend schon ins Kissen weinen! Als ob es absolut nichts wichtigeres im Leben einer Frau gibt, als sich mit ihrem zukünftigen Versagen in der Mutterrolle auseinanderzusetzen.

„Sei doch nicht so wehleidig! Wie willst du eine Geburt überstehen?“

Die Prognose, dass eine junge Frau eventuell nicht angemessen auf Presswehen vorbereitet ist, dient in unserer Gesellschaft immer noch als Rechtfertigung, jegliche Form von Schmerz zu relativieren. Schlimmer: Aufgrund von Periodenschmerzen nicht leistungsfähig zu sein, wird als Gejammer ausgelegt, für das man sich durchaus rechtfertigen muss.

Hand aufs Herz, auch ich habe mich selbst schon dabei erwischt, wie ich mir andere einfach nicht als Eltern vorstellen konnte. Als ob man das vorher einschätzen könnte. Sicherlich ist man seinem Kind zuliebe eher bereit zu funktionieren, als wenn man sich nur um sich selbst kümmern muss. 

Aber warum muss man plötzlich Superkräfte haben, nur weil man Kinder kriegt? Wächst man da nicht bekanntlich rein?

Zudem bin ich der Meinung, dass man Sachen genauso gut auch ohne Superpower machen kann. Hauptsache das Ergebnis stimmt. Oder man bittet um Hilfe. Ist das so verwerflich?

„Mir hat damals auch keiner geholfen.“ „Ich hab’s auch allein hingekriegt.“

Mein Mami-Potential wird doch nicht daran gemessen, wie gut und gerne ich koche und putze, wie gut ich morgens aus dem Bett komme oder wie gut ich Multitasking beherrsche. Wer das tut, hat meiner Meinung nach das Elternsein falsch definiert. 

Wenn ich mich im Freundeskreis umsehe, haben deren Kinder vor allem eine tolle Bindung zu ihren Mamas und Papas. Sie lernen von ihren Eltern viel über gegenseitige Rücksichtnahme, Unterstützung und Selbstwahrnehmung. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man diese Werte über Geschlechterrollen im Haushalt vermittelt. Oder darüber, dass Mami ihren „Frauenkram“ mal wieder ganz tapfer für sich behält.

Ich würde mir mehr Empathie oder wenigstens ein bisschen weniger Übergriffigkeit wünschen, wenn es in Zukunft darum geht, kinderlose Menschen vor den Kopf zu stoßen, indem man sie auf ihre späteren Kinder reduziert und ihre Probleme herunterspielt.

Niemand muss sich für seine Bedürfnisse rechtfertigen. Auch Eltern nicht! Nicht perfekt sein zu können oder zu wollen ist keine Schwäche, sondern menschlich. Für mich gibt es keine typisch männlichen oder typisch weiblichen Eigenschaften, die einen guten Elternteil ausmachen. Viele dieser sogenannten „Werte“ sind so alt wie ihre patriarchalischen Verfechter selbst und haben nichts mit einem funktionierenden Familienleben zu tun. Sondern vor allem mit sexistischer Kackscheiße und Stereotypen.

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