Garten-Regeln


Schrebergärten haben so einiges zu bieten. Ruhe und Erholung, bunte Blumen und jede Menge Regeln. Warum es Zeit für eine neue Generation Kleingärtner ist und warum Gemüsebeete nicht mehr zeitgemäß sind.

für Berti und Sarah


Heute habe ich in meinem Garten Unkraut gezogen. Bei über 30° im Schatten wirklich keine freudige Angelegenheit. Mit jedem Meter den ich auf meinen Beeten vorankomme, frage ich mich mehr, warum ich das überhaupt tue. Ohne dieses Grün gleicht mein Beet einer staubigen sandigen Wüste. Das im Frühsommer angesetzte Gemüse ist ausnahmslos vertrocknet. Lediglich ein paar Zucchinis und ein Bund Radieschen haben es über meine gießfreie Arbeitswoche geschafft. In meinem Gewächshaus ruhen verschrumpelte Tomatenüberreste in Frieden. Im Gespräch über den Gartenzaun ermahnt mich mein Nachbar, dass ich das Gemüse hätte morgens und abends bewässern müssen, aber immer nur ein bisschen, mit abgestandenen Wasser und bloß nicht von oben! Außerdem müssen es warme Nächte, aber nicht zu heiße Tage sein, in denen Tomaten wachsen, weswegen ich am besten in der Mittagszeit die Gewächshaus-Tür öffne. Gerade möchte ich ansetzen, um meine Arbeitszeit zu erwähnen, da erfahre ich ungefragt, warum mein Rhododendron und meine Hortensien nicht blühen. Die Antwort lautet: Zu wenig gegossen. Am besten den Schlauch reinhalten und dann: Gib ihm! Wenn das Wasser einen Zentimeter über der Wiese steht, reicht es. Wieder hole ich Luft, aber der alte Mann mit Strohhut ist in Redelaune. Apropos Wiese: Im übrigen könnte ich mich auch mal um meinen Rasen kümmern, der inzwischen kniehoch wächst und nur noch als Heu taugt. Schön sehe das nicht aus. Im Hintergrund schüttelt eine alte Dame auf einer Hollywoodschaukel beipflichtend den Kopf, während ihr Mann mich belehrt. Es gäbe Regeln in diesem Land, sonst könne ja jeder in seinem Garten machen, wie er will!

Ich sehe das Problem nicht. Da ich im Spreewald wohne, wäre ein kleiner Heuschober neben der Laube doch eine schöne Idee und würde besser in diese Region passen, als wasserbedürftige Pflanzen, um die ich mich ganzheitlich zu kümmern habe. Die Antwort fand die Gartenzwerg-Fraktion nicht lustig. Genauso wenig wie meine Aussage, dass ich meinen Garten eher zur Erholung nutze als zur Erfüllung von irgendwelchen Kleingärten-Normen, die ich absolut nicht mehr zeitgemäß finde. Man muss wissen: Wer einen Schrebergarten pachtet, muss auf einiges achten! Es gibt strikte Vorschriften, was zum Beispiel die Heckenhöhe oder die Größe der Laube angeht. Sogar die falsche Musik (egal, wie leise sie ist) und zu viel Sichtschutz scheinen ein Problem zu sein. Wer sich dem wachsamen Auge des Spießer-Establishment entzieht, zieht den Verdacht auf sich, ein wilder Irrer zu sein, der nur die friedliche Idylle stören will. Oder das uniforme Gesamtbild. Denn was Kleingärtner noch mehr lieben als Schlagerbeats zum Mitklatschen und geharkte Wege ist die absolute Gleichheit aller Dinge. Bloß nicht zu viel Individualität. Um das Einheitsbild abzurunden gibt es die wohl bekannteste Garten-Regel: Auf mindestens einem Drittel der Gartenfläche müssen Obst, Gemüse oder Kräuter für den Eigenbedarf angebaut werden. Wie das mit langen Trockenperioden, Grundwasserknappheit und Arbeitszeit vereinbar sein soll, darf man mir gern erklären. Am besten bei Kaffee und Erdbeerschnittchen. Um der guten Nachbarschaft willen. Meine Einstellung ist da eher pragmatisch. Solange ich zufrieden mit meinem Fleckchen Erde bin, kann mir keiner vorschreiben, wann ich was zu pflanzen und zu ernten habe. Besonders, wenn wir ganz andere Probleme als ungepflegte Rasenflächen und Lebensmittelnahversorgung haben.

Hitzeperioden und ausbleibender Regen haben in der Lausitz Spuren hinterlassen. Der Grundwasserspiegel sinkt von Jahr zu Jahr, Flussbetten trocknen aus, Wälder brennen und in den Kleingärten hat man nichts besseres zu tun, als das ohnehin schon wertvolle Gut Wasser in die eigenen Beete zu kippen. Immerhin: Das Rasen sprengen in der Mittagshitze soll inzwischen in Gartensparten verboten sein. Dafür laufen abends ab um 18:00 Uhr die Pumpen auf Hochtouren und lassen das Grundwasser auf der noch wabernd heißen Oberfläche verdunsten. Alles für die Gurke. Und weil die ja so viel besser schmeckt als alles, was es zu kaufen gibt, gibt man dann noch jede Menge Zucker, Salz und Schmand in den Salat hinein. Ist das gesund? Ich glaube nicht.

Ich wäre dafür, dass Gartenvereine ihre Statuten anpassen. Freizeit genießen sollte im Vordergrund stehen und nicht sinnlose Wasserverschwendung. In Zeiten von Klimaerwärmung und Verdichtung in Städten braucht es keine Gemüse-Regelung, sondern Orte, an denen sich Hitzegeplagte entspannen können und Insekten bunte Wiesen zum weiden vorfinden. Ohne, dass am Gartenzaun gemeckert und gezetert wird und ohne, dass man noch zusätzliche Arbeit mit Ernten und Einwecken hat. Wen eine Pflanze nur wächst, wenn man sie mit Chemikalien und Folien hochzüchtet und sie dann trotzdem noch Unmengen Wasser braucht, gehört sie nicht in die Lausitz. Nur die harten bleiben im Garten. Punkt! Generation Strohhut und Wachstischdecke muss das auch mal einsehen. 

Klar, ganz ohne Mühen geht es nicht, aber ich würde nicht gleich jedem, der sich nicht von Vorschriften gängeln lassen will, Nachlässigkeit unterstellen. Ich würde mein grünes Kleinod um keinen Preis der Welt wieder gegen überfüllte Stadtparks und Freibäder eintauschen. Auch wenn ich kein Fan von Obst sammeln und Unkraut jäten bin, ist mir das lieber als Müll und Hundekot. Also schaue ich augenrollend über gut gemeinte Ratschläge hinweg, schnapp mir jetzt ein kaltes Getränk und lege mich in die Hängematte. Der Rasen kann warten. 

Share Button

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.